Gra­phic Novel

Das Pro­jekt Re:framing Jenisch möchte dem »Blick von Außen« einen »Blick von Innen« gegen­über­stel­len und dem domi­nan­ten Wis­sen über jeni­sche Lebens­wei­sen kri­tisch-refle­xiv begeg­nen. Um den Ent­ste­hungs­kon­text des bestehen­den Schrift­guts zu pro­ble­ma­ti­sie­ren, die hege­mo­niale Erzäh­lung »über« Jeni­sche umzu­deu­ten und zum kul­tu­rel­len Gedächt­nis der Gesell­schaft bei­zu­tra­gen, bedient sich Re:framing Jenisch eines Modells aus drei Ebe­nen: Einer visu­el­len Erzäh­lung im digi­ta­len Raum, einem »Jeni­schen Archiv« und einer Ebene der Wissensvermittlung.

Digi­tale Erzäh­lun­gen als Werk­zeug kri­ti­scher Geschichtsschreibung

Visu­elle Erzäh­lun­gen eig­nen sich beson­ders dazu, den »objek­ti­ven« his­to­ri­schen Fak­ten die Nah­per­spek­tive sub­jek­ti­ver Erfah­rung gegen­über­zu­stel­len und die Geschichts­schrei­bung »über« Jeni­sche kri­tisch zu befra­gen. Sie bie­ten somit zeit­gleich Eman­zi­pa­ti­ons­po­ten­tial für Jeni­sche als auch die Mög­lich­keit für die Mehr­heits­ge­sell­schaft, sich im Spie­gel der Nar­ra­tion selbst kri­tisch zu betrach­ten.
Bie­tet bereits die visu­elle Anrei­che­rung der Erzäh­lung auf­grund ihrer zusätz­li­chen nar­ra­ti­ven Dimen­sion und der Mög­lich­keit zur sym­bo­li­schen Ver­dich­tung beson­dere Gele­gen­heit zur kri­ti­schen Refle­xion his­to­ri­schen Gesche­hens, mul­ti­pli­ziert sich die­ses Poten­tial – das »Wie« der Erzäh­lung – im digi­ta­len Raum. Über die »authen­ti­sche« visu­elle Reprä­sen­ta­tion der Geschichte hin­aus kann der digi­tale Raum durch Mög­lich­kei­ten nicht-seri­el­ler Dar­stel­lung, der Inte­gra­tion wei­te­rer Ele­mente (Audio, Ani­ma­tion) oder durch Inter­ak­ti­ons­mög­lich­kei­ten beson­dere Leis­tun­gen für die kri­ti­sche Geschichts­schrei­bung bie­ten, die über die Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten der Text­form hinausgehen.

Das Jeni­sche Archiv

Als zen­tra­ler Ort des For­schens und Erin­nerns will das »Jeni­sche Archiv« einen Bei­trag zur Bewah­rung und Sicht­bar­ma­chung des kul­tu­rel­len Gedächt­nis­ses der Tiro­ler Fah­ren­den leis­ten und adäquate Grund­la­gen für künf­tige öffent­li­che und wis­sen­schaft­li­che Aus­ein­an­der­set­zun­gen schaffen.

Der Blick auf die Jeni­schen ist geprägt durch offi­zi­el­les Schrift­gut, das von Auto­ri­tä­ten ange­fer­tigt wurde, um dem ver­meint­li­chen »Pro­blem« jeni­scher Lebens­wei­sen zu begeg­nen. Feh­lende Text­do­ku­mente aus jeni­scher Sicht, auch bedingt durch das Vor­herr­schen einer münd­li­chen Über­lie­fe­rungs­kul­tur, sor­gen für eine inhalt­li­che Ver­zer­rung des kul­tu­rel­len gesell­schaft­li­chen Spei­chers. Das »Jeni­sche Archiv« begeg­net die­ser Pro­blem­stel­lung auf zwei Wei­sen:
Einer­seits soll das bestehende Wis­sen »über« Jeni­sche kri­tisch gesich­tet und rekon­tex­tua­li­siert wer­den. Wesent­lich ist hier die Sicht­bar­ma­chung des inter­es­sen­ge­lei­te­ten und vor­ur­teils­be­la­de­nen Blicks der Mehr­heits­ge­sell­schaft und ihrer Insti­tu­tio­nen, mit der das her­vor­ge­brachte Archiv­ma­te­rial kon­tras­tiert wird.

Ande­rer­seits soll die­sem Wis­sen »über« ein Wis­sen »von« Jeni­schen hinzu gestellt wer­den. Aus­ge­hend von der Fest­stel­lung, dass Wis­sen nie­mals eine neu­trale Reprä­sen­ta­tion der Rea­li­tät dar­stellt son­dern durch Inter­es­sen und Macht­ver­hält­nisse geformt ist, möchte das »Jeni­sche Archiv« Lebens­ge­schichte und -erzäh­lun­gen der Jeni­schen in den Sta­tus legi­ti­men Wis­sens hieven.

Der pro­jekt­lei­tende Archiv­be­griff folgt dabei kei­nem archiv­fach­li­chen Rigo­ris­mus, viel­mehr dient er uns meta­pho­risch dazu, die Schnitt­menge der archi­va­ri­schen, doku­men­ta­ri­schen und wis­sen­schaft­li­chen Kon­tu­ren des Vor­ha­bens ter­mi­no­lo­gisch zusammenzuführen.

Das Archiv ver­steht sich dabei aus­drück­lich als offe­ner Ort der par­ti­zi­pa­ti­ven Wis­sens­ge­stal­tung. Über die eta­blier­ten Netz­werke der Initia­tive Min­der­hei­ten wer­den Jeni­sche, Wissenschafter:innen, Journalist:innen oder bestehende Insti­tu­tio­nen aktiv dazu ein­ge­la­den, sich mate­ri­ell oder imma­te­ri­ell am Auf­bau des Archivs zu betei­li­gen und das viele – jedoch ver­streute – Wis­sen von und zu den Jeni­schen die­ser Insti­tu­tion zur Ver­fü­gung zu stellen.

Die Idee, eigene Inhalte zu pro­du­zie­ren und das Wis­sen der Jeni­schen sicht­bar zu machen, wird in die­sem Pro­jekt durch die geschichts­wis­sen­schaft­li­che Methode der Oral-History rea­li­siert. Die Nar­ra­tio­nen zu den zen­tra­len The­men­be­rei­chen, die sich aus den sub­jek­ti­ven Ein­sich­ten und Deu­tun­gen der befrag­ten Per­so­nen erge­ben, sol­len das »offi­zi­elle« Schrift­gut ergän­zen und ein Gegen­ge­wicht dazu darstellen.

Mit Ende des Pro­jekts im Dezem­ber 2022 soll das Archiv in eini­gen wesent­li­chen Berei­chen auf­ge­ar­bei­tet und kri­tisch erschlos­sen und somit ein ers­ter Grund­stein gelegt wor­den sein. Eine dar­über hin­aus­ge­hende Erschlie­ßung wird aber nicht mög­lich sein und soll in den Fol­ge­jah­ren durch wei­tere Pro­jekte vor­an­ge­trie­ben wer­den. Ziel ist, das Archiv als leicht zugäng­li­cher Ort eines jeni­schen kul­tu­rel­len Gedächt­nis­ses zu eta­blie­ren und somit nach­hal­tig Jeni­schen selbst bzw. der inter­es­sier­ten Öffent­lich­keit zur Ver­fü­gung zu stel­len. Ein ers­ter Schritt dazu wird im Rah­men des Pro­jekts Re:framing Jenisch erfolgt sein. 

Die Ver­mitt­lungs­ebene

Die enge Ver­bin­dung von Erzäh­lung und Archiv stellt eine Beson­der­heit von Re:framing Jenisch dar und bezieht sich auf meh­rere Ebe­nen:
Erste Sit­zun­gen der pro­jekt­be­tei­lig­ten Per­so­nen haben zu einer vor­läu­fi­gen Ein­gren­zung auf gewisse The­men­fel­der erge­ben. Diese lei­ten die Bewer­tungs-, Sich­tungs- und Erschlie­ßungs­kri­te­rien des Archiv­guts und die­nen als Leit­fa­den des Oral History Pro­jekts. Das auf diese Weise gewon­nene »Fak­ten­wis­sen« dient sei­ner­seits als Grund­lage der digi­ta­len Erzäh­lun­gen und nährt diese inhalt­lich.
Diese enge Ver­bin­dung spie­gelt sich auch auf Ebene der Rezipient:innen wider und betrifft die inhalt­li­che Ver­mitt­lung des Archiv­wis­sens, wie auch seine kri­ti­sche Ein­bet­tung und die Ver­mitt­lung der The­men­fel­der. Hierzu wird eine Schnitt­stelle zwi­schen digi­ta­ler Erzäh­lung und Archiv instal­liert, die Links zur Erzäh­lung und zum Archiv auf­weist, jedoch als eigen­stän­dige Dar­stel­lung fun­giert. Gewis­ser­ma­ßen in der Form von »Dos­siers« wer­den die in den Erzäh­lun­gen the­ma­ti­sier­ten Sach­ver­halte ver­tieft und durch Expert:innen auf­be­rei­tet, wobei diese Dos­siers ihrer­seits als nie­der­schwel­lige Ein­la­dung begrif­fen wer­den sol­len, sich selb­stän­dig – und ange­lei­tet durch die ver­mit­telte kri­ti­sche Per­spek­tive – mit den Archi­vin­hal­ten zu beschäftigen.

Überblick

Kate­go­rien
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